SS-Sonderlager Fort Queuleu

In der Kaserne II / Kasematte A der Feste Goeben / Fort Queleu existierte von Oktober 1934 bis August 1944 ein Sonderlager der Gestapo. Zwischen 1.500 und 1.800 Menschen wurden hier inhaftiert. Unter ihnen waren Widerstandskämpfer, Saboteure, Fluchthelfer, Fahnenflüchtige und Gegner des NS-Regimes. Von Dezember 1944 bis März 1946 diente die Anlage als Überwachungszentrum für Kollaborateure. Bis zu 4.400 Personen waren dort interniert. Danach wurde die Feste als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt. Von 1948 bis 1950 diente sie als französisches Rückführungslager für Zwangsarbeiter, die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges aus der ehemaligen Kolonie Indochina (heute Laos, Kambodscha, Vietnam) nach Frankreich verschleppt wurden.

 

Kontakt

Rue du Fort de Queuleu
Allée Jean Burger
57070 Metz
Frankreich

Telefon: +33 | 0 | 695 | 67 42 80
E-Mail: fort.metz.queuleu@gmail.com

Webseite: www.fort-queuleu.com

 

Öffnungszeiten

Sonntagnachmittag von 14:00 bis 17:00/18:00 Uhr (je nach Jahreszeit).
Betriebsferien von Ende Dezember bis Anfang Januar.

Der Eintritt ist frei. Spenden, die den Erhalt der Gedenkstätte sichern, werden aber gerne angenommen.

Anmeldung: www.fort-queuleu.com

 

Seit 1971 betreut und erhält die Association du Fort de Metz-Queuleu pour la mémoire des internés-déportés et la sauvegarde du site die Gedenkstätte Fort de Queleu. Am 20. November 1977 wurde am Eingang zur Gedenkstätte ein Denkmal zur Erinnerung an Widerstandskämpfer und die Opfer des NS-Regimes errichtet, das der Architekt Roger Zonca entworfen hat. Die Skulptur, in Form einer Flamme, birgt in ihrem Innern die Überreste eines unbekannten Deportierten.

Das Fort de Queuleu gehörte zum inneren Befestigungsring von Metz. Es wurde zwischen 1867 und 1868 von Frankreich errichtet und 1871 — nach Ende des deutsch-französischen Krieges — vom deutschen Kaiserreich fertiggestellt. Durch den Bau des zweiten Befestigungsringes um die Stadt Metz verliert das Fort nach 1899 seine militärische Bedeutung. Im Ersten Weltkrieg diente das Fort vermutlich als Kriegsgefangenenlager für französische Soldaten. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war es Kaserne für die Soldaten der Maginot-Linie. Nach der Annexion Lothringens durch das Deutsche Reich war die Feste zuerst Stammlager für Kriegsgefangene und ab März 1943 Außenkommando des KZ Natzweiler-Struthof. Die rund einhundert Gefangenen, darunter vorwiegend deutsche Strafgefangene und Polen, wurden zum Bau des Flugplatzes Metz-Frescaty eingesetzt.

Vom 12. Oktober 1943 bis August 1944 bestand in der Kaserne II ein SS-Sonderlager. Die Insassen wurden aus dem Metzer Polizeigefängnis, im Gebäude des ehemaligen Priesterseminars, nach Fort de Queleu verlegt, darunter zahlreiche Kommunisten, Gewerkschafter und Pazifisten, die sich der Eindeutschung des Moseldepartements widersetzten. Die Gestapo konnte auf die sogenannten ‚Schwarzen Listen‘ zurückgreifen, die von den Unternehmen der Eisen- und Montanindustrie geführt wurden. Auf diesen Listen wurden die Namen von Kommunisten, Gewerkschaftsmitgliedern und Regimegegnern, die nach der Rückgliederung des Saargebiets an das Deutsche Reich nach Frankreich flohen, vermerkt.

 

Zeitzeugenbericht

Aurelie Filipetti: Das Ende der Arbeiterklasse. Ein Familienroman. Frankfurt 2003, S. 20 – 28:
Was wollte die Gestapo hier, unter Tage?“ Am Morgen des 3. Februar 1944 fuhren sie in die Mine von Audun-le-Tiche ein. (…) Kein einziger Zeuge auf den verschiedenen Etappen, niemand, der einen Verdacht schöpfen konnte, weil sich die zwei Männer in Zivil abseits hielten, während der Direktor die Verdächtigen persönlich holte. (…) Man befahl ihnen, die Hände auf die Schultern ihres Vordermanns zu legen, man riss ihnen die Helme vom Kopf, und die kleine Kolonne verschwand heimlich in der Dunkelheit unter Tage. (…) Sie fuhren in die Mine ein, mit dem Segen der Minenleitung. (…) Die Geschichtsbücher werden vermerken: Die de Wendel, die ihre Hochöfen für die Kanonen des Reiches auf Hochtouren laufen ließen, die Bosse der Bergwerksgesellschaft Rote Erde Mittäter bei den Verhaftungen. In die Mine eingefahren, mit dem Segen der Bosse.

Sie brachten von diesem unterirdischen Fischgang menschliche Beute mit, warm und lebendig. Vierzehn Bergleute, an ihrem Arbeitsplatz festgenommen, unter in den dunklen Mine, denen es nicht einmal gestattet wurde, sich das Gesicht zu waschen. Schwarz blieben sie bis zur Ankunft in den Zellen der Polizeistation, in die man sie sperrte.

In den dreißiger Jahren hatten sie, die bereits vor Mussolini geflohen waren, eine lokale Gruppe der Gesellschaft für Menschenrechte aufgebaut. Den ganzen Krieg hindurch verteilten sie Flugblätter, schmuggelten in beide Richtungen Informationen über die Grenze. Jetzt waren sie da, schmutzig, mit braunem Staub bedeckt, der ihre Wimpern verklebte, Eisenstaub. Die Hände mit Seilen gefesselt, die Augen verbunden, die Haut triefend vor Schweiß und Dreck. (…) Sie begegneten die russischen Gefangenen, die versklavt wurden. Angekettet in den unterirdischen Stollen. Brach einer von ihnen vor Erschöpfung zusammen, war es die SS ein Leichtes, ihn einige Kilometer weiter in dieses kleine Konzentrationslager auf französischem Boden zu bringen, wo der Verbrennungsofen lief wie anderswo. Thil. (…) Damit es keinen Aufruhr gibt, zwingt man sie, mit ihren schmutzigen Händen in Handschellen, durch das Hinterhoffenster in die Polizeistation zu klettern. Die vierzehn Bergleute, immer noch schwarz, werden mehrere Tage lang dort bleiben, bevor sie das Fort von Queleu in der Nähe von Metz überstellt werden. Für die Überführung verbindet man ihnen erneut die Augen, fesselt ihnen die Hände, und bei der Ankunft entkleidet man sie. Nackt müssen sie erneut die Hände auf die Schultern ihres Nachbarn legen und sich in Bewegung setzen. Man dirigiert sie in Richtung Treppe, sodass der Erste am Fuß der Treppe stürzt und die anderen über ihn fallen. Die deutschen Soldaten lachen. Unten lassen sie die Hunde auf die Männer los und lachen wieder. (…) Ihr Mann ist nicht tot, er wird vermisst. Von Metz aus ist er in das Lager Dora gebracht worden, in Deutschland, immer noch zusammen mit seinen beiden Brüdern. Der eine, Filippo, ist zurückgekommen, hat nicht darüber gesprochen. Der andere blieb für immer in Deutschland. Vermisst. Er selbst starb in Bergen-Belsen — wusste er, wo sein Bruder war — im Mai 1945, nach der Befreiung des Lagers durch die Engländer. An Typhus ist er gestorben, aber vorher gefoltert: ans Kreuz geschlagen — wie viele Tage lang — und schließlich von einem Kameraden begraben, der später an dessen Frau schrieb, um ihr zu sagen wo.

Ein anderer der vierzehn Bergleute von Audun-le-Tiche wurden zu dem Zeitpunkt nach Bremen verlegt, als die Nazis, die das Ende kommen sahen, ihre Verbrechen von Gott oder der Vorsehung vollenden ließen. Bevor sie untertauchten, organisierten die das finale Gottesurteil, stießen an die hundert Gefangene auf ein Phantom-Schiff ohne Verpflegung oder Besatzung und setzten sie in der Ostsee aus. Mehrere Wochen trieb das Schiff umher. Zwischen den verwesenden Leichnamen, die die schwedische Marine fand, sechsunddreißig Überlebende, darunter der Bergmann di Lucia. Ein Schatten aus dem Jenseits zurückgekommen, wie um Zeugnis abzulegen, doch auch er weigerte sich zu sprechen, kehrte nach Hause zurück und starb sehr schnell, hinweggerafft von den Erinnerungen.
[La Bénédiction, Aurélie Filippetti: Das Ende der Arbeiterklasse. Ein Familienroman. Frankfurt 2003, S. 20 – 28]

 

Knapp 20 Prozent der Inhaftierten in Fort Queuleu waren Frauen. Ebenso wie die männlichen Gefangenen wurden sie nach brutalen Verhören in die Konzentrationslager Natzweiler-Struthof oder Dachau, in das Erziehungslager Schirmeck oder in Gefängnisse verschleppt.

Die Inhaftierten wurden in überfüllte Gemeinschaftszellen gesperrt. Es war verboten zu sprechen und sich zu bewegen. Den Gefangenen wurden die Augen verbunden. Sie blieben während der Haft an Händen und Füßen gefesselt. In 18 Einzelzellen wurden führende Widerstandskämpfer aus der Moselregion in Einzelhaft untergebracht. Unter ihnen war der Arzt Leo Burger und dessen Bruder Jean, der Chef der Groupe Mario, die den kommunistischen Widerstand in der Moselregion organisierte.

Der Leiter des Lagers, Georg Hempen, hielt das Wachpersonal zu Härte und Folter im Umgang mit den männlichen und weiblichen Gefangenen an. Hempen beteiligte sich selbst an den Quälereien und prügelte auf die Inhaftierten mit einem Ochsenziemer ein.

Die Häftlinge wurden zu verschiedenen Lagerarbeiten gezwungen. Sie mussten beispielsweise eine Gemeinschaftszelle zu Einzelzellen umbauen. Dafür mussten sie im Winter mehr als 10.000 Ziegelsteine von Lastwagen laden und verbauen. Zudem wurden die Inhaftierten von morgens sieben Uhr bis nachts um ein Uhr in der Lagerwerkstatt eingesetzt, in der sie Schlosser-, Schreiner- und Elektrikerarbeiten erledigen mussten. Die Verpflegung war unzureichend und bestand zum großen Teil aus Kohlrübensuppe.

36 Menschen starben im Lager. Vier Inhaftierten gelang am 19. April 1944 die Flucht.

 

Chronik


1940

Fort Queuleu dient als Kriegsgefangenenlager.

1943

März: Außenkommando des KZ Natzweiler-Struthof. Deutsche und polnische Gefangene errichten in Zwangsarbeit den Flughafen Metz-Frescaty.

12. Oktober: SS-Sonderlager in der Kaserne II/Kasematte A für Widerstandskämpfer, Saboteure, Fahnenflüchtige, und russische Kriegsgefangene.

1944

19. April: Flucht von vier Inhaftierten aus dem SS-Sonderlager.

August: Auflösung des Lagers.

Dezember: Überwachungszentrum für Kollaborateure.

1946

März: Auflösung des Überwachungszentrums.

1. Juni: Kriegsgefangenenlager 211 für 145 deutsche Soldaten in Betrieb genommen.

1947

Auflösung des Kriegsgefangenenlagers.

1948 – 1950

Französisches Rückführungslager für Zwangsarbeiter, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs von Frankreich aus Indochina verschleppt wurden.

1971

Der Verein der Feste Goeben kümmert sich um den Erhalt des Ortes als Gedenkstätte zur Erinnerung an die Gefangenen und die Opfer des Nationalsozialismus.

1977

20. November: Einweihung des Denkmals für die Widerstandskämpfer und Opfer des Nationalsozialismus.