Die Neue Bremm war Sammel- und Durchgangslager für Mitglieder der französischen Résistance, französische Juden und Lothringer, die sich der Einberufung zur Wehrmacht entzogen hatten. Sie wurden von Saarbrücken aus weiter in die Konzentrationslager Dachau, Mauthausen, Auschwitz oder Ravensbrück verschleppt. Das Lager, aufgeteilt in ein Männer- und ein Frauenlager, diente der Gestapo auch als Erweiterung für das überfüllte Saarbrücker Gefängnis am Lerchesflur, in dem überwiegend Stadtverordnete und Gewerkschaftssekretäre von SPD, KPD und Zentrum inhaftiert wurden. Die Neue Bremm wurde auch als Straf- und Disziplinierungslager für Zwangsarbeiter aus Osteuropa genutzt, die in saarländischen Betrieben arbeiten mussten. Zwischen 1943 und 1944 waren ca. 20.000 Menschen im Lager inhaftiert. Hunderte wurden gefoltert und ermordet. Nach Kriegsende wurde das Lager abgerissen und das Gelände neu bebaut. 2004 wurde die Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm eingeweiht.
Kontakt
Metzer Straße / Zinzinger Straße
66117 Saarbrücken
Metzer Straße / Alstinger Weg, Stadtteil Alt-Saarbrücken, Nähe Grenzübergang Goldene Bremm und Hauptfriedhof Saarbrücken, Ausfallstraße Richtung Metz, Übergang in die Route nationale (N3).
Die Gedenkstätte ist ganztägig geöffnet. Hinweistafeln informieren über das Lager und seine Geschichte. Der Besuch ist kostenlos.
Führungen kostenlos, zu buchen bei:
Landeszentrale für politische Bildung Saarland
Beethovenstraße 26
66125 Saarbrücken
Telefon: +49 | 0 | 6897 | 7 90 81 04
Fax: +49 | 0 | 6897 | 7 90 81 77
E-Mail: lpb@lpm.uni-sb.de
Das Lager Neue Bremm lag an einer Durchgangstraße, direkt an der Grenze zu Frankreich. In der Nähe des Lagers befand sich eine Gaststätte, die zwar nach Beginn des Lagerbetriebs für das allgemeine Publikum geschlossen wurde, das Lagerpersonal konnte hier jedoch Bier und Zigaretten kaufen. Auch die Spicherer Höhen, ein beliebtes Ausflugsziel der Saarbrücker, lagen nicht weit entfernt. Das Nebeneinander von NS-Terror und Alltag wird im Lager Neue Bremm besonders deutlich.
Zeitzeugenberichte
Das Lager Neue Bremm war ein wichtiges Durchgangslager für Häftlingstransporte aus Frankreich. Die Deportationen aus dem Westen Europas in die großen KZs im Osten und ihre Außenlager führten über Brüssel und Saarbrücken. Saarbrücken war Durchgangsstation für die Deportationen nach Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald, Mauthausen und Ravensbrück. Die Grenzlage der Neuen Bremm leistete nicht nur bei den Deporationen aus Frankreich Vorschub, sondern das direkt an der Grenze gelegene KZ diente auch als Instrument der Unterdrückung und der Gewalt im besetzten Lothringen.
In der Regel kamen drei große Häftlingstransporte aus den Gestapo-Gefängnissen Compiègne, Fresnes und Fort de Romainville in Les Lilas auf dem Saarbrücker Hauptbahnhof an. Es handelte sich in der Mehrheit um von der Gestapo als ‚politische Häftlinge‘ bezeichnete Französinnen und Franzosen. Diese hatten sich an Streiks beteiligt, sich geweigert, sich beim Arbeitsdienst zu melden oder waren im Widerstand aktiv gewesen bzw. standen im Verdacht, es zu sein.
Emil Limbach
Der Zeitzeuge Emil Limbach aus Saarbrücken berichtet:
Man durfte ja nicht ins Lager reingucken, selbst von der gegenüberliegenden Wirtschaft aus ging es nicht. Da hing ein Schild: Aus dem Fenster gucken verboten. Es waren kleine Baracken gewesen. Es war ein Weg dort, auf der einen Seite die Gefangenen, auf der anderen die Wachmannschaften. Da kamen wir eines Tages auf dem Weg nach Merlebach auch die Metzer Straße hoch, am Konzentrationslager Neue Bremm vorbei. Stehen bleiben durften wir ja nicht. Es war morgens 8 Uhr, die Gefangenen haben mit ihrem Essnapf dagestanden, stillgestanden, in Reih und Glied — im Lager. Und als wir gegen Abend wieder zurückkamen, da haben sie noch dagestanden. Es war eine kolossale Hitze an diesem Tag. Die haben stillstehen müssen, von morgens bis abends, es war nicht die Nachtessenausgabe. Vorher sind wir oftmals spazieren gegangen — und wenn einer mal stehen geblieben ist, hat die Wachmannschaft, die unter einer Überdachung gesessen hat, gerufen: „Weitergehen — sonst schießen wir!“ (…)
[Zitat aus: Bernard, Raja / Renger, Dieter: Neue Bremm. Ein KZ in Saarbrücken, Frankfurt a.M. 1999, S. 29]
Edmond Michelet (1899 – 1970)
Der spätere französische Justiz-, Heeres- und Kultusminister Edmond Michelet (1899 – 1970) war bevor er in das KZ Dachau verschleppt wurde, von August bis September 1943 im Gestapo-Lager Neue Bremm in Haft. Er berichtet in seiner Autobiographie von der ‚Sonderbehandlung‘ von Juden am Tage seiner Ankunft und dass er von Molotov geschlagen wurde. Er erinnert sich an den Mithäftling Jacques Renouvin, der abends in der Baracke das Rezitieren von Gedichten aus dem Gedächtnis vorschlug. Er musste in der Grube außerhalb vom Lager Steine räumen. Michelet war Mitgründer der französischen Widerstandsgruppe Combat und seit 1940 in der Résistance aktiv. Nach sechs Monaten Einzelhaft in Fresnes kam er Ende August 1943 für eine Woche ins Lager Neue Bremm und über die Gefängnisse von Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Ulm, Ingolstadt vom 15.9.1943 bis 27.5.1945 nach Dachau.
Über seinen Aufenthalt im Lager Neue Bremm schreibt Edmond Michelet:
Was uns davon im Lager Neue Bremm unmittelbar bei Saarbrücken erwartete, wohin wir sofort nach Ankunft unter starker Bedeckung zu Fuß gebracht wurden, war alles andere als alltäglich. Man stelle sich zunächst einmal den äußeren Rahmen vor: eine Art Viereck aus trostlosen Baracken, nach einem hundertmal beschriebenen Plan aufgestellt, um ein Wasser-Bassin herum, an dessen Rand wir uns in Reih und Glied aufstellen mussten. Dort beehrte uns zu Beginn ein SS-Mann mit einer kleinen Gelegenheitsansprache, um uns deutlich vor Augen zu führen, was für ein neues Leben uns erwartete. Er schloss, wie der Dolmetscher wörtlich übersetzte: „Ihr werdet jetzt alle sehen, wie man diese dreckigen Judenschweine, die schuld am Krieg sind, im Großdeutschland von Adolf Hitler behandelt.“ Dann befahl er die Juden des Transports heraus. Außer unseren beiden kleinen Kameraden vom Combat mussten sich vier oder fünf Unglückliche während 16 Stunden hintereinander — genau von 6 Uhr morgens bis 10 Uhr abends — ohne Unterbrechung der beschämenden und quälenden Disziplinarübung des sogenannten Froschhüpfens unterziehen. Sie besteht darin, mit gebeugten Knien und im Nacken verschränkten Händen vorwärts zu hüpfen. Bleischwer fiel die Sonne auf die kahlen Schädel, die der wilde Molotov, der sagenhafte Henkersknecht dieses Höllenlagers soeben geschoren hatte. Wenn einer unserer unglücklichen Gefährten nicht mehr weiterkonnte und bewusstlose niederbrach, half ihm ein SS-Mann mit dem Gummiknüppel wieder auf die Beine. Um ihn wieder ganz zu sich zu bringen, war er ihn dann mit einem Fußtritt in das Wasserbecken, um das sich diese Lustbarkeit abspielte. War dann der Patient wieder vorschriftsmäßig auf seiner Bahn, wandte sich der Dolmetscher mit süßlicher Stimme an uns Arier. Wir standen unbeweglich stillgestanden vor diesem Schauspiel, Gluthitze und Erschöpfung ließen es geradezu gespenstisch unwirklich werden. „Diejenigen, die Mitleid mit ihnen haben, haben jederzeit das Recht, sich ihnen anzuschließen“, sagte er. Jacques Renouvin, der Ritter, flüsterte mir mit zusammengebissenen Zähnen zu: „Ich bin entehrt. Ist es nicht meine Pflicht, mich ihnen doch anzuschließen?“ „Was würde das nützen“, antwortete ich, „so wie die Dinge gehen, wäre es halt nur ein Leichnam mehr.“
[Zitat aus: Edmond Michelet: Friedensstraße — Dachau 1943 – 1945. Paris 1955, Deutsche Übertragung von Georg Graf Henckel von Donnersmarck, Bonn 1960, S. 44 – 45]
[Siehe auch: Zeugenaussage André K. vom 23. März, Archive de l’Occupation Francaise en Allemagne et en Autriche (AOF) Colmar, AJ / 4028, 2A. Zitat aus: Elisabeth Thalhofer: Neue Bremm. Terrorstätte der Gestapo]
Yvonne Bermann (1907 – 1947)
Yvonne Bermann geb. Lafourcade wuchs im südfranzösischen Dax auf. Heirat mit dem Polen Theodor Henri Bermann im Oktober 1933. Beide waren Mitglieder der Résistance und Unterstützer des nach London geflohenen General de Gaulle. 1941 Gefangene der Gestapo, Inhaftierung in der Festung Ha. Freilassung im selben Jahr. 1942 schließt sich das Paar das Paar dem Widerstandsnetz BRUTUS an. Nach Verhaftung eines Mitglieds Flucht des Paares im Oktober 1943 nach Paris. Yvonne Bermann kehrt allein nach Bordeaux zurück und wurde sofort in der Festung Ha inhaftiert. Von dort Ende 1943 über die Festung Romainville bei Paris. Am 6. Juni 1944 in das Gestapolager Neue Bremm verschleppt. 13. Juni Transport in das KZ Ravensbrück. 14. August nach Leipzig-Schönefeld, ein Außenlager des KZ Buchwald verlegt. 14. April 1945 Todesmarsch. Yvonne Bermann gelingt die Flucht und überlebt versteckt bis zur Ankunft der alliierten Truppen. 15. Mai 1945 Befreiung. 21. Mai Rückkehr nach Bordeaux. Yvonne Bermann stirbt an den Folgen ihrer Haft am 28. März 1947 an einem Schlaganfall.
Ihr Mann leitet nach ihrer Rückkehr nach Bordeaux im Oktober 1943 unter dem Decknamen Henri Bertin das Spionagenetz in Nordfrankreich und Paris. Verhaftung 1944. Über Fresnes erfolgt die Deportation in das KZ Buchenwald, von dort in das Außenlager Dernau, Deckname Rebstock, von dort in das KZ Dora-Mittelbau, danach Außenkommando Artern. Henri Bermann stirbt auf dem Todesmarsch zwischen dem 18 und 20. April 1945 bei Marienberg.
[Zitat aus: Horst Bernard: Neue Bremm. Das Lager. Ehemalige Häftlinge des Gestapolagers Neue Bremm erinnern sich. Saarbrücken 2014. S. 32 – 37]
Auf dem ehemaligen Exerzierplatz unweit der Spicherer Höhen wird ein Barackenlager für französische Kriegsgefangene errichtet.
Die Gestapo in Saarbrücken nutzt das Lager Neue Bremm wegen Überfüllung der Gefängnisse als ‚erweitertes Polizeigefängnis‘.
Im November 1944 wird das Lager aufgelöst und die Inhaftierten auf mehrere Standorte verteilt: die Itzenplitz-Schule und die Hans-Schlemm-Schule in Heiligenwald, sowie das Lager für russische Zwangsarbeiter am Mellin-Schacht in Sulzbach. Die Bevölkerung nutzt die leerstehenden Holzbaracken als Brenn- und Baumaterial.
Abriss der noch vorhandenen Baracken.
11. November: Einweihung des Gedächtnisplatzes und Errichtung einer Gedenkstätte mit Blick auf das Gelände des ehemaligen Männerlagers.
Anlage eines Gewerbegebietes und Bau eines Hotels auf dem Areal des ehemaligen Frauenlagers. Im Foyer des Hotels informieren Wandtafeln über die Geschichte des Lagers.
Der Landesjugendring Saar veranstaltete erste pädagogische Workcamps für Jugendliche. Das Lager Neue Bremm wird als Station auf den Alternativen Stadtrundfahrten der Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes (VNN) und dem Bund der Antifaschisten (BdA) Saarland aufgenommen.
Gründung der Initiative Neue Bremm.
Ausschreibung eines Wettbewerbs zur Gestaltung der Gedenkstätte. Die Jury entscheidet sich für den Entwurf des Berliner Architekten Roland Poppensieker mit dem Titel „Hotel der Erinnerung“. Das Mahnmal besteht aus einer großen Reklametafel, auf dem eine Mutter mit ihrem Kind abgebildet ist. Im Hintergrund ist das Lager zu sehen. Das Motiv steht sinnbildlich für das gleichgültige Nebeneinander von Alltagsidylle und Terror im NS-Staat.
Eröffnung der Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm.