Gedenkstätte KZ Osthofen

In den Gebäuden einer ehemaligen Papierfabrik entstand kurz nach der Machtübernahme der NSDAP das KZ Osthofen, wo vom Frühjahr 1933 bis Sommer 1934 Gegner des NS-Regimes, überwiegend Mitglieder der KPD und SPD sowie Gewerkschafter und Mitglieder anderer politischer Gruppierungen inhaftiert wurden. Aber auch viele Juden, etliche Zeugen Jehovas und einige wenige Sinti befanden sich unter den Häftlingen. Besonders die jüdischen Häftlinge hatten unter Schikanen zu leiden.

Am Beispiel des ersten und sehr früh eingerichteten Konzentrationslagers des damaligen Volksstaates Hessen wird deutlich, was die Nationalsozialisten seit Beginn von Hitlers Amtszeit anstrebten: Die Ausschaltung der Gegner und Ausgrenzung ganzer Gruppen bis hin zur Vernichtung. Zwar wurde im KZ Osthofen in den 17 Monaten seines Bestehens noch kein Häftling ermordet, aber die Gefangenen wurden menschenunwürdig behandelt und misshandelt. Viele der Inhaftierten wurden nach der Schließung des Lagers erneut verfolgt, in andere Haftstätten und Lager verschleppt und dann später getötet.

Anna Seghers setzte dem KZ Osthofen in ihrem weltbekannten Roman Das siebte Kreuz ein bleibendes Denkmal.

Informationsbroschüre zur Gedenkstätte Osthofen

 

Kontakt

NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz / Gedenkstätte KZ Osthofen
Ziegelhüttenweg 38
67574 Osthofen 

Telefon: +49 | 0 | 6242 | 91 08 10
Telefax: +49 | 0 | 6242 | 91 08 20
E-Mail: info@ns-dokuzentrum-rlp.de

Webseite: www.gedenkstaette-osthofen-rlp.de

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 9:00 bis 17:00 Uhr.
Wochenende und Feiertag: 13:00 bis 17:00 Uhr

Führungen von Gruppen und Schulklassen nur nach Voranmeldung
Öffentliche Führungen: Jeden 1. Sonntag im Monat um 14:00 Uhr
Treffpunkt im Foyer der Gedenkstätte. Voranmeldung nicht erforderlich

Förderverein Projekt Osthofen e.V.
Ziegelhüttenweg 38
67574 Osthofen

Telefon: +49 | 0 | 6242 | 91 08 25
Telefax: +49 | 0 | 6242 | 91 08 29
E-Mail: info@projektosthofen-gedenkstaette.de

Webseite: www.projektosthofen-gedenkstaette.de

 

Biographien

Carlo Mierendorff
Der SPD-Politiker Carlo Mierendorff (1897 – 1943) gehörte zu den entschiedensten Gegnern der Nationalsozialisten. Bereits früh hatte er den Kampf zur Verteidigung der Weimarer Republik gegen die immer bedrohlicher werdende völkisch-reaktionäre, rassistische und faschistische Bewegung aufgenommen. Am 13. Juni 1933 wurde er bei einem konspirativen Treffen in Frankfurt am Main verhaftet und am 21. Juni bis Anfang November 1933 im KZ Osthofen inhaftiert. Erst nach fünfjähriger Haft in Konzentrationslagern sowie in der Berliner Gestapo-Zentrale wurde er freigelassen und reihte sich in die von seinem Freund, dem ehemaligen hessischen Innenminister Wilhelm Leuschner geschaffene antinazistische Vertrauensleutestruktur ein. Nach einem erfolgreichen Ausgang des Umsturzversuchs des 20. Juli hätten die Zivilisten den Umsturz der Militärs unterstützen und in zivile Bahnen lenken sollen. Carlo Mierendorff kam bei einem britischen Luftangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 ums Leben. Wegen seiner führenden Rolle beim 20. Juli wurde Wilhelm Leuschner 1944 hingerichtet.

Max Tschornicki
Der jüdische Rechtsanwalt
Max Tschornicki (1903 – 1945) aus Mainz war Mitglied der Jungsozialisten der SPD und entschiedener Gegner der Nationalsozialisten. Im März 1933 wurde er in Osthofen interniert. Am 3. Juli 1933 gelang ihm die Flucht ins Saargebiet. Er stand dort in Kontakt mit den Sozialdemokraten Dr. Walter Sender und Eduard Lehmann. Beiden waren als Rechtsanwälte für die Freiheitsfront tätig. Sender war, wie Tschornicki in Rheinhessen, im Saargebiet ein bekannter Anwalt der Linken in Prozessen gegen die aufkommenden Nationalsozialisten. Im Januar 1935 floh Tschornicki weiter nach Südfrankreich. Am 11. August 1944 wurde er in Frankreich von der Gestapo verhaftet und über Lyon nach Auschwitz deportiert. Tschornicki starb am 21. April 1945 im Außenlager des KZ Dachau in Allach.

Willy Vogel
Der KPD-Kreisleiter
Willy Vogel (1898 – 1989) floh kurze Zeit nach seiner Inhaftierung im KZ Osthofen ins Saargebiet. Von dort aus führte sein Weg nach dem 13. Januar 1935 nach Frankreich. Er kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg gegen das Franco-Regime und musste nach der Niederlage der Republikaner aus Spanien fliehen. 1944 trat er in Marokko in den Dienst der britischen Armee. Über Algier, Palermo und Neapel kehrte er nach Worms zurück. Von Oktober 1947 bis zu ihrer Auflösung Anfang 1949 war er öffentlicher Ankläger der Spruchkammer des Kreises Worms. Als die KPD 1948 anordnete, ihre Mitglieder sollten sich aus den Spruchkammern zurückziehen, erklärte er seinen Austritt aus der Kommunistischen Partei.

 

Chronik


1933

28. Februar: Einen Tag nach dem Reichstagsbrand wird die ‚Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat‘, auch bekannt als ‚Reichstagsbrandverordnung‘, erlassen. Diese setzt die verfassungsmäßigen Grundrechte der Bürger außer Kraft. Verhaftungen zum ‚Schutz von Volk und Staat‘ ohne Angabe von Gründen werden erlaubt. Zahlreiche Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter werden festgenommen und inhaftiert. Der Paragraf 2 der Verordnung erlaubt zudem den Eingriff in Landesrecht.

6. März: Auch in Worms beginnen unmittelbar nach den Wahlen zum Reichstag im März 1933 Massenverhaftungen von NS-Gegnern. Da die dortigen Haftstätten schnell überfüllt sind, ordnet der gerade vom Staatskommissar der hessischen Polizei, Dr. Werner Best, zum Polizeipräsidenten des Polizeiamtes Worms ernannte Heinrich Maria Jost an, Gefangene nach Osthofen zu bringen um eine leerstehende Papierfabrik für die Inhaftierung von politischen Gefangenen vorzubereiten.

7. März: Vereidigung von Hilfspolizisten. Der Staatskommissar für die politische Polizei vereidigt im ganzen Volksstaat Hessen persönlich tausende von SA- und SS-Angehörige zu Hilfspolizisten. In der Stadt Osthofen vereidigt er insgesamt 95 SS- und 99 SA-Leute, die täglich nach Errichtung des KZ-Lagers zum Wachdienst herangezogen werden.

1. Mai: Offizielle Indienstnahme des KZ Osthofen. Bereits am 20. April 1933 hatte Werner Best die neugeschaffene ‚Zentralpolizeistelle‘ angewiesen, nach einem festgelegten Schlüssel 100 Männer im ganzen Volksstaat Hessen, ausdrücklich Arbeiter und keine Funktionäre, verhaften zu lassen. Er tat dies, um sie im Rahmen einer reichsweiten Propagandaaktion am 1. Mai 1933, dem ‚Tag der nationalen Arbeit‘, wieder entlassen zu können. Am gleichen Tag ordnet er offiziell per Durchführungsverordnung der Reichstagsbrandverordnung die Errichtung des KZ Osthofen als einzigem Konzentrationslager des Volksstaates Hessens an.

Die Existenz des KZ Osthofen wird nicht verschwiegen. Im Gegenteil, es wird sogar in den Zeitungen in ganzseitigen Artikeln über das Konzentrationslager und die dort angeblich herrschenden Zustände berichtet. Zudem ist das KZ durch eine entsprechende Beschriftung an der Fassade weithin sichtbar. Im Lager selbst können die Insassen Ansichtskarten des KZs erwerben und verschicken.

7. August: Best regelt mit Anordnung vom 7. August 1933 die ‚verschärfte Polizeihaft‘. Anträge sind unmittelbar an ihn zu richten. Für den Vollzug dient von März bis September 1933 das Amtsgerichtsgefängnis in Osthofen. Verschärfter Arrest wird ab Juli 1933 auch in der stillgelegten sogenannten „Holzmühle“ in der Schwerdstraße in Osthofen vollzogen. Unterbringung und Ernährung sind dort besonders grausam.

1934

Juli: Schließung des KZs Osthofen aufgrund der reichsweiten Zentralisierung des KZ-Systems und damit Auflösung regionaler Zuständigkeiten.

1936

Zwangsversteigerung der leerstehenden Papierfabrik. Eheleute Bühner erwerben das Areal für ihre bestehende Möbelfabrik.

1942 – 1945

Einsatz von belgischen Kriegsgefangenen.

1976

Konkurs der Möbelfirma und zeitweilige Vermietung des Gebäudes an eine Recyclingfirma.

1996

Eröffnung der Gedenkstätte mit einer vorläufigen Dauerausstellung.

2002

Einzug des Referates Gedenkarbeit und Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums Rheinland-Pfalz der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz.

2004

Fertigstellung der Gedenkstätte.