Während des Zweiten Weltkriegs wurden in den ehemaligen Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken in Völklingen rund 12.000 Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt. Wer sich widersetzte, wurde im werkseigenen Arbeitserziehungslager in Püttlingen-Etzenhofen inhaftiert. Nach Kriegsende wurden die Spuren des Lagers beseitigt. Eine Dauerausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte dokumentiert die Zwangsarbeit unter Röchling.
Kontakt
UNESCO Weltkulturerbe Völklinger Hütte
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur
Rathausstraße 75 – 79
66333 Völklingen
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Webseite: www.voelklinger-huette.org
Historischer Kontext: Zwangsarbeit im Saarland
Im Saarland gab es zwischen 1940 und 1944 insgesamt 370 Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager. 12.000 Kriegsgefangene und Zivilpersonen aus Frankreich, Russland und Italien wurden in der Völklinger Hütte und ihren Nebenbetrieben zur Zwangsarbeit eingesetzt. 250 Zwangsarbeiter, die an den unmenschlichen Arbeitsbedingungen starben, wurden auf dem Völklinger Waldfriedhof beigesetzt. Eine Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte informiert über die Zwangsarbeit in den Röchlingschen Werken. Hermann Röchling, war Direktor der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen und zugleich Mitbegründer und Vorsitzender der Reichsvereinigung Eisen. Er wurde 1948 wegen Versklavung von Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit und die Duldung ihrer Misshandlung der Zwangsarbeiter in Raststatt angeklagt. Er wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt, jedoch bereits 1951 wieder entlassen.
Zeitzeugenberichte
Ferdinand Michalkiewicz
Der Röchling-Prozess von 1948 – 1949, aus der Dokumentation der Anklage: Aussage des polnischen Zwangsarbeiters Ferdinand Michalkiewicz (SEF 1039):
Im Lager Etzenhofen gab es folgendes Ordnungssystem: wir waren zu achtzehnt in einer Holzbaracke. Morgens wurde das Wecken immer zu einer Laune für die Wachmannschaften. Wir erhielten jeder zwei Kommissbrote und ein Viertel Ersatzkaffee, mittags eine sehr klare Suppe ohne Gemüse — abends eine Kohlsuppe ohne Fett. Wir schliefen in Etagenbetten auf dem Bettenrost und Stroh. Es gab kein Ungeziefer, weil wir uns zweimal in der Woche desinfizieren und waschen mussten. Manchmal mussten wir nachts um ein Uhr aufstehen, um um 7 Uhr nach Völklingen arbeiten zu gehen. Dort waren wir damit beschäftigt, Kippwagen mit Koks zu beladen, die Frauen machten die gleiche Arbeit. Wir arbeiteten ungefähr 10 Stunden am Tag und das ganze (!) ohne Unterbrechung am Sonntag. Der Tagesablauf war der folgende: Von 7 bis 12 Uhr und von 13 bis 18 Uhr. Während unseres Aufenthaltes im Lager hatten wir kein Anrecht auf Lohn. (…) Ich hatte einen Furunkel am Bein. Ein großer Werksaufseher hat ihn aufgebrochen, indem er mich schubste, um mir weh zu tun. Wenn uns die Wachmänner am frühen Morgen, zum Beispiel um 1 oder 2 Uhr morgens, ließen sie uns im Hof manchmal bis zu einer Stunde langlaufen, auf allen vieren gehen, sich längs hinwerfen, den Entengang machen; wenn wir in dieser abschließenden Position waren, traten uns die Wachmänner auf den ganzen Körper. Wir mussten diese ‚Gymnastik‘ die ganze Zeit über machen, sogar im Schlamm und vor allem dann, wenn die Wachmänner der Auffassung waren, dass die Behandlung tagsüber noch nicht ausreichend war. Unter solchen Bedingungen mussten wir die Übungen noch abends nach der Rückkehr ins Lager machen. (…) Weiterhin war verboten im Lager umherzugehen, man musste immer laufen. Es gab Hunde im Lager, die die Internierten ansprangen und sie umbrachten. Wegen dieser Bedrohung trauten sich viele nicht auf die Toilette.
[Zitat aus: Plettenberg, Inge / Krämer, Hans-Henning: Feind schafft mit … Ausländische Arbeitskräfte im Saarland während des Zweiten Weltkriegs. Ottweiler 1992]
Henri Baltharzad
24 Jahre, Kellermeister aus Chaudenny-sur-Moselle, Zeuge der Anklage Röchling-Prozess, 11. März 1948:
Ich habe während der Haft weitergearbeitet, aber in einem anderen Betrieb: Jetzt wurde ich bei der Koksbeladung eingesetzt. Es war die Regel, dass die Lager-Häftlinge ohne Ausnahme zu besonders schweren, anstrengenden Arbeiten herangezogen wurden. Es gab keine Ausnahmen. Die Frauen, sogar die schwangeren, arbeiteten genauso schwer wie wir. Wir trugen eine spezielle Häftlingskleidung: gestreifte weiße Hose, Jacke und Mütze. Damit konnte man die Häftlinge von Etzenhofen überall im Werk erkennen; auch nachts, denn die weißen Streifen auf der Hose waren auch phosphoreszierender Farbe. Unsere Köpfe waren geschoren; kahlrasiert. Mehrmals bekam ich im Lager Etzenhofen Schläge: 30 Schläge mit der Reitpeitsche zweimal am selben Abend; außerdem wurde ich von einem Hund, einem Wolfsspitz, gebissen. Ich sah russische Frauen am Boden liegen — sie waren von Deutschen getreten worden.
[Zitat aus: Plettenberg, Inge / Krämer, Hans-Henning: Feind schafft mit … Ausländische Arbeitskräfte im Saarland während des Zweiten Weltkriegs. Ottweiler 1992]
28. Mai: Erlass des Reichsführers SS Heinrich Himmler zu Errichtung von Arbeitserziehungslagern. Die Haftdauer beträgt maximal 56 Tage, die tägliche Arbeitszeit zehn bis zwölf Stunden.
15. Dezember: Erlass des Reichsführer SS Heinrich Himmler zur Einrichtung von ‚Erziehungsabteilungen‘ für ausländische Arbeitskräfte in Großbetrieben. Für Unterbringung und Arbeitszuteilung hat der Betrieb in Abstimmung mit der regionalen Staatspolizeistelle zu sorgen. Die ‚Arbeitserziehungshaft‘ gab den Unternehmen uneingeschränkte Macht über Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.
April: Einrichtung eines betrieblichen Schnellgerichtes, um ‚Vergehen‘ wie Disziplinlosigkeit zu bestrafen.
April: Anmietung eines Lagers des Reichsarbeitsdienstes, das 1942 von der Organisation Todt auf dem Gelände der Reichsbahn errichtet wurde.
30. April: Gründung eines betrieblichen Straflagers der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke Völklingen zur Disziplinierung der ausländischen Zwangsarbeiter. Die Lagerleitung unterliegt der Gestapo Saarbrücken.
Juli: 5.294 ausländische Arbeitskräfte werden in der Völklinger Hütte zur Zwangsarbeit verpflichtet, darunter sind 2.114 ‚Ostarbeiter‘ und sowjetische Kriegsgefangene.
Die Lagerleitung untersteht dem Werkschutz des Röchlingschen Eisen- und Stahlwerks. Bereits geringe Vergehen können zur Inhaftierung im Arbeitserziehungslager führen.
Dezember: Nach Stilllegung der Völklinger Hütte wird das Lager aufgelöst. Insgesamt waren hier 1.604 Menschen interniert; die Hälfte der Häftlinge waren Frauen. Der Anteil der osteuropäischen Zwangsarbeiter lag zwischen 30 und 60 Prozent.
Die Völklinger Hütte war die einzige der Saarhütten mit einem betrieblichen Schnellgericht und Arbeitserziehungslager.
Auf dem Areal des ehemaligen Lagers wurde in den 1980er Jahren ein Gewerbegebiet angelegt.
Die Stadt Püttlingen setzt am Standort des ehemaligen Arbeitserziehungslagers einen Gedenkstein.