Die Villa Pauly wurde im Auftrag des luxemburgischen Arztes Dr. Norbert Pauly als Wohn- und Praxishaus errichtet. Das Gebäude wurde von dem Architekten Mathias Martin gestaltet. Ab 1940 wurde das Haus von der deutschen Verwaltung beschlagnahmt und diente als Sitz der Gestapo. Neben dem Hauptsitz in der Stadt Luxemburg gab es in Esch/Alzette (Villa Seligmann) und Diekirch (Villa Conter) jeweils eine Außenstelle. Nach der Befreiung wurde die Villa Pauly zunächst vom amerikanischen Geheimdienst (CIC) genutzt. Später wurden u.a. das Gesundheits- und Arbeitsministerium dort untergebracht. Ab 2002 war das Centre de Documentation et de Recherche sur la Résistance (CDRR) in der Villa Pauly untergebracht, das seit 2016 jedoch dem Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History (C²DH) an der Universität Luxemburg angeschlossen wurde. Heute ist die Villa Sitz verschiedener Widerstandsverbände (z.B. der UNIO’N und der LPPD), der Fondation nationale de la Résistance (FONARES), dem Comité pour la mémoire de la Deuxième Guerre mondiale sowie eines Teils des Service pour la mémoire de la Deuxième Guerre mondiale.

 

Kontakt

57, boulevard de la pétrusse
2320 Luxemburg-Stadt
Luxemburg

Telefon: +352 | 247 | 822 83
E-Mail: servicememoire@me.etat.lu

Webseite: www.cm2gm.lu

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 13:00 bis 16:30 Uhr, sowie nach Vereinbarung. An Wochenenden und Feiertagen geschlossen.

Anfahrt:
Die Villa Pauly liegt im Stadtzentrum von Luxemburg, etwa auf halber Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und dem historischen Stadtkern. Vom Hauptbahnhof aus ist sie zu Fuß in rund 10 Minuten erreichbar. Vom Stadtkern aus in Richtung Bahnhof am Boulevard Royal entlang, hinter der Adolphe-Brücke rechts in den Boulevard de la Pétrusse abbiegen. Die Villa befindet sich nach 200 Metern auf der rechten Seite.

Besuch auf Anfrage.

 

Erinnerungsort Villa Pauly

Im März 1960 kaufte der Staat die Räumlichkeiten der Villa Pauly. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Befreiung des Großherzogtums von der deutschen Besatzung setzten sich ehemalige Widerstandskämpfer dafür ein, dass die historische Bedeutung der Villa stärker hervorgehoben wird. Auf Initiative des damaligen Gesundheitsministers und ehemaligen Widerstandskämpfers Emile Krieps wurde in Abstimmung mit dem Conseil national de la Résistance (CNR) eine Gedenktafel an einer Säule beim Eingang angebracht. Am 9. April 1984 wurde sie offiziell eingeweiht. Auf der Tafel steht: „Villa Pauly / Siège de la Gestapo 1940 – 1944 / Passant, souviens-toi des résistants torturés en ces lieux sous l’occupation nazie. Im August 1989 wurde die Villa Pauly unter Denkmahlschutz gestellt. 2002 wurde dort das Centre de documentation et de recherche sur la Résistance eingerichtet.

 

Gestapo-Terror in Luxemburg

Die ersten Festnahmen durch die Gestapo erfolgten bereits im August 1940 mit der Verhaftung von Rotbrigadisten und weiteren politische Gegnern (u.a. Kommunisten). Im Oktober erfolgte eine weitere Verhaftungswelle infolge aufflammender Proteste gegen den Abriss der Gëlle Fra. Verdächtige mussten regelmäßig in den Büros der Gestapo vorstellig werden. Bereits Inhaftierte wurden aus dem Gefängnis für Verhöre in die Villa transportiert. Es gab zahlreiche Gründe ins Visier der Gestapo zu geraten: Oftmals genügten bereits einfache ‚antideutsche‘ Haltungen als Form des Widerstandes. Die Gestapo konzentrierte sich vor allem auf die Zerschlagung von Widerstandsorganisationen. Nach dem sogenannten Generalstreik am 31. August 1942 wurden Verdächtige von der Gestapo verhört und in das Konzentrationslager Hinzert deportiert. Fritz Hartmann, der Leiter des Einsatzkommandos Luxemburg, dem auch die Gestapo im Land unterstellt war, übernahm den Vorsitz des am 1. September 1942 eingesetzten Standgerichtes. Das SS-Sonderlager / KZ Hinzert diente der Gestapo als Haft-, Verhör- und als Hinrichtungsstätte. Zwischen 1941 und 1944 wurden in Hinzert zahlreiche Luxemburger, Belgier und Franzosen ermordet. 70 sowjetische Kriegsgefangene wurden durch Zyankaliinjektionen hingerichtet. Während der sogenannten Ardennenoffensive, einer Gegenoffensive der Nationalsozialisten gegen die alliierten Truppen, kam mit der Wehrmacht auch die Gestapo abermals nach Luxemburg. Ihr Wirken konzentrierte sich auf das Aufspüren von Partisanen und Saboteuren. 150 Personen wurden dabei von der Gestapo verhaftet, 39 davon starben. Auch die Erfassung und Deportation der luxemburgischen Juden wurde von der Villa Pauly aus organisiert. Homosexuelle und Zeugen Jehovas bildeten zwei weitere Opfergruppen, die in Luxemburg ins Visier der Gestapo gerieten und unter ‚Schutz-‘ bzw. ‚Vorbeugehaft‘ gestellt und deportiert wurden. Nach dem Krieg wurden insgesamt 16 Mitglieder der Gestapo in Luxemburg als Kriegsverbrecher angeklagt und vor dem Gerichtshof in Luxemburg Stadt verurteilt.

 

Chronik


1940

August: Erste Verhaftungen von sogenannten Rotgardisten — diese Verhaftungswellen setzen sich im November 1940 und Juli 1941 fort.

1. September: Indienstnahme des ‚Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes‘ mit Hauptsitz in der Villa Pauly unter der Leitung von SS-Obersturmbannführer Wilhelm Nölle.

10. September: Erste Schutzhaftbefehle gegen die in Luxemburg ansässigen Zeugen Jehovas.

12. September: Offiziere der Gestapo teilen dem Oberrabbiner des Großherzogtums Serebrenik mit, dass alle Juden bis zum 26. September das Land verlassen müssen. Bis Mitte Oktober 1941 verlassen rund 3.000 Juden das Land in Richtung Westen.

19. – 21. Oktober: Der geplante Abriss der „Gëlle Fra“ mit den daran anschließenden Protesten führen zu ersten Verhaftungen durch die Gestapo.

1941

8. März: SS-Obersturmbannführer Fritz Hartmann ersetzt Nölle als Leiter des Einsatzkommandos Luxemburg (EKL).

April: Tätigkeitsbeginn des Vernehmungskommandos im KZ Hinzert.

16. Oktober: 70 sowjetische Kriegsgefangene werden von der Gestapo Trier als ‚politische Kommissare‘ ausgesondert und anschließend ins KZ-Hinzert transportiert.

16. Oktober: Deportation von rund 323 Juden aus Luxemburg, darunter 22 Insassen von Cinqfontaines nach Lodz / Litzmannstadt.

16. – 17. Oktober: Ermordung 70 sowjetischer Kriegsgefangener durch Zyankalispritzen in Hinzert – die Tötung wurde von den dortigen SS-Wachmannschaften durchgeführt.

4. – 6. November: Beginn der ‚Aktion gegen separatistische Gruppen in Luxemburg‘ — sie bildet die erste Razzia gegen luxemburgische Widerstandskämpfer. 300 ‚Verdächtige‘ werden in Bussen ins SS-Sonderlager KZ-Hinzert transportiert.

1942

18. Februar: 66 Widerstandskämpfer der LPL (Lëtzebuerger Patriote Liga) werden bei einer Razzia verhaftet.

21. April: Bei einer Razzia der Gestapo nimmt sich Raymond Petit, Gründer und Anführer der LPL, nach einem Schusswechsel das Leben.

23. April: Deportation von 24 Juden ins Ghetto Izbica (Polen), darunter die Hälfte aus Fünfbrunnen.

12. Juli: Deportation von 24 Juden nach Auschwitz.

26. Juli: Deportation von 27 Juden ins KZ Theresienstadt.

28. Juli: Deportation von 159 Juden ins KZ Theresienstadt .

5. August: Razzia gegen luxemburgische Kommunisten.

1. September: Einsetzung des Standgerichtes unter der Leitung Fritz Hartmanns infolge des Generalstreiks — 21 Männer werden wahllos ausgewählt und zum Tode verurteilt. Die Exekutionen werden in Köln-Klingelpütz und Hinzert ausgeführt.

1943

6. April: Deportation von 97 Juden nach Theresienstadt.

17. Juni: Deportation von 11 Juden nach Theresienstadt — letzter von insgesamt 7 Judentransporten aus dem Großherzogtum Luxemburg.

3. Oktober: Die Gestapo wird angewiesen, die Verfolgung von Deserteuren aufzunehmen.

1944

25. Februar: Hinrichtung von 23 gefangenen Widerstandskämpfern in Hinzert ohne Gerichtsverfahren und Urteil.

15. August: Gestapo-Stelle Luxemburg aufgelöst, das Gebiet Luxemburg wird von der Gestapo Trier übernommen.

1. September: Ein Großteil des Gestapo-Personals verlässt Luxemburg in Richtung Trier. Nach der Flucht wird das Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD in Luxemburg in ‚Grenzpolizeikommissariat Luxemburg‘ umbenannt.

9. – 10. September: Befreiung des Großherzogtums durch die amerikanische Armee.

25. Dezember: Vier Luxemburger werden von der Gestapo erschossen, unter ihnen Jean Heck, Ernest Lamborelle, George Lamborelle, Michel Lamborelle.

1945

8. – 9. Januar: Das Ehepaar Bous-Thielen wird von der Gestapo festgenommen und bei Clerf ermordet.

9. Januar: Michel Menster wird bei Bettendorf von der Gestapo festgenommen – sein Leichnam wird später in Bauler (D) gefunden.

10. Januar: Catherine Streber wird von der Gestapo festgenommen und beschuldigt einen Ortsgruppenleiter der VdB angegriffen zu haben, bis heute weiß niemand, wohin sie verschleppt wurde.

21. Januar: Ende der Rundstedt-Offensive.

22. Februar: Befreiung der letzten besetzten luxemburgischen Ortschaft Vianden.

20. April: Befreiung des SS-Sonderlagers / KZ-Hinzert – Ende des Vernehmungskommandos.

1949

10. Oktober: Beginn von vier Nachkriegsprozessen in Luxemburg (Gestapo-Prozess, Standgerichtsprozess, Clermont-Ferrand-Prozess und den Prozess die Verbrechen während der Rundstedt Offensive betreffend). Insgesamt werden 16 Mitglieder der Gestapo wegen Kriegsverbrechen angeklagt und verurteilt.