Saarländisches Psychiatriemuseum am Klinikum Merzig

Das Saarländische Psychiatriemuseum im Klinikum Merzig wurde 2004 im Dachgeschoss der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik eröffnet. Die Dauerausstellung Erinnern als Prozess beschäftigt sich mit den Euthanasieverbrechen in der Merziger Heil- und Pflegeanstalt. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden 800 Patienten aus der Merziger Psychiatrie in die Tötungsanstalten Hadamar und Weilmünster deportiert.

 

Kontakt

SHG Klinikum Merzig
Trierer Straße 148
66663 Merzig

Telefon: +49 | 0 | 6861 | 7 05 17 00
E-Mail: sekretariat.psychiatrie@mzg.shg-kliniken.de

Webseite: www.mzg.shg-kliniken.de

Die Ausstellung im Saarländischen Psychiatriemuseum im Klinikum Merzig befindet sich im Dachgeschoss von Gebäude B2. Sie ist witterungsbedingt nur von März bis Oktober geöffnet.
Führungen auf Anfrage.

 

Biographien

Änne Meier (1896 – 1989)
Die in Baltersweiler im Kreis St. Wendel geborene Änne Meier arbeitete als Fürsorgerin. Sie war als aktive Katholikin am Aufbau der Kreiswohlfahrtsämter an der Saar beteiligt. Die von ihr gesammelten Daten zu Tuberkulose-Erkrankungen sowie Erbkrankheiten gab sie trotz massiven Drucks des NS-Regimes zum Zweck der Krankenmorde nicht weiter. Sie verweigerte den Hitler-Gruß und die Mitgliedschaft in NS-Verbänden. Änne Meier wurde ‚wegen des fanatischen Einsatzes für die katholische Aktion‘ von der Gestapo verhaftet. Nach zehn Wochen Einzelhaft im Saarbrücker Gefängnis Lerchesflur wurde sie 1942 ins KZ Ravensbrück verschleppt. Sie überlebte den Todesmarsch. Nach Kriegsende kehrte sie nach Baltersweiler zurück und arbeitete wieder als Fürsorgerin. Dort wurde ihr ein Platz gewidmet, an dem eine Gedenktafel an sie erinnert. Das Adolf Bender-Zentrum St. Wendel hat eine Ausstellung über das Leben von Änne Meier erarbeitet.

 

Das Saarländische Psychiatriemuseum
Das Saarländische Psychiatriemuseum im Klinikum Merzig wurde 2004 im Dachgeschoss der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik eröffnet. Im Mittelpunkt steht die Dauerausstellung Erinnern als Prozess. Eine Bilderausstellung beschäftigt sich mit den Euthanasieverbrechen in der Merziger Heil- und Pflegeanstalt. Die ehemalige Friedhofskapelle ist ein Ort für Kulturveranstaltungen und zugleich Sitz des Gustav Regler-Zentrums. Der ehemalige Anstaltsfriedhof wurde zum Park der Andersdenkenden umgestaltet und widmet sich der Erinnerung der Opfer der Euthanasieverbrechen der Nationalsozialisten. In dem Park befindet sich ein Lichtobjekt des Saarbrücker Lichtkünstlers Werner Bauer, die Blechskulptur Katterwahn des Beckinger Bildhauers Eberhardt Killguss, sowie am Wasserhochbehälter das Lichtwellenauge des Saarbrücker Malers Lukas Kramer. Die Arbeit von Eberhardt Killguss ist eine aus Eisen geformte in den Boden eingelegte Träne. Darin eingeschrieben sind Verse der Dichterin Rose Ausländer „Im verbrannten Hof steht noch der Brunnen voll Tränen. Wer weinte sie? Wer trinkt seinen Durst leer?“. Der Gedenkstein des Merziger Bildhauers Paul Schneider ist Reb Mosche gewidmet. Das Gitter mit den goldfarbenen Buchstaben „to be to be“ stammt von dem niederländischen Künstler Herman de Vries und zeigt einen auf eine Plexiglastafel gedruckten Text „Alles Leben, jeder Lebende ist da zum Sein so wie es oder er / sie ist“.

Die Dauerausstellung Erinnern als Prozess besteht aus den vier Bilderfolgen Psychiatrie in Raum und Zeit, Der kompetente Mensch, Der verletzte Mensch und einer Dokumentation der Geschichte der Klinikpsychiatrie in Merzig im 19. Und 20. Jahrhundert. Die Installation Der Raum mit dem leeren Feld gedenkt der 800 Patienten, die aus der Merziger Psychiatrie in die Tötungsanstalten Hadamar und Weilmünster deportiert wurden. Ein weiterer Raum ist Wechselausstellungen zum Themenfeld Kunst und Psychiatrie vorbehalten. Auf dem Platz vor dem Hauptgebäude des Klinikums erinnert eine Skulptur des Bildhauers Eberhardt Killguss an die Opfer der Krankenmorde.

 

Chronik


1933

14. Juli: Verabschiedung des ‚Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘.

1934

1. Januar: Das ‚Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ tritt in Kraft, mit dem die Grundlage für Zwangssterilisationen in der Nervenheilanstalt Merzig geschaffen wird.

1935

1. März: Machtübernahme der Nationalsozialisten im Saargebiet.

27. November: Erlass des Reichskommissars zur Rückgliederung des Saarlandes ins Deutsche Reich. Aufnahme der Tätigkeit des Erbgesundheitsgerichtes Saarbrücken, das die Anwendung des ‚Gesetzes zur Verhütung von erbkranken Nachwuchses‘ verwaltet.

1936

In den Landeskrankenhäusern Merzig und Homburg werden erste Sterilisierungen auf Grundlage des ‚Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ durchgeführt. Die Verlegung von Patienten aus privaten und kirchlichen Einrichtungen in staatliche Anstalten beginnt.

Zwei Beispiele dokumentieren die willkürliche Auslegung des Gesetzes:

„Frau L. N. aus Neuweiler wurde laut Schreiben der Nervenabteilung des Landeskrankenhauses in Homburg am 16. November 1937 wegen eines Augenleidens sterilisiert. Wegen Nachtblindheit wurde der Bruder der Vorgenannten ebenfalls unfruchtbar gemacht‘.“

„Herr M.H. aus Kelsen, 51 Jahre alt wurde auf Antrag des zuständigen Direktors der Heil- und Pflegeanstalt Merzig durch das Erbgesundheitsgericht Saarbrücken am 24. März 1939 zur Sterilisierung verurteilt: ‚Der Erbkranke leidet an einem Schwachsinn (,) für den ein äußerer Entstehungsgrund nicht feststellbar ist.‘

[Archiv des Regionalverbandes Saarbrücken, ungeordneter Bestand, Auszug Feststellungsbescheide der Regierung des Saarlandes, Ministerium des Innern, Abteilung Wiedergutmachung politischer Schäden zitiert aus Peter Luy / Thomas Gerber: Zwangssterilisierung und klinische Vernichtung. Aus: Zehn statt tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar, 1935 – 1945. Saarbrücken 1988, S. 218 – 226]

1937

August: Es erfolgen erste Transporte von Patienten aus den saarländischen Heil- und Pflegeanstalten Homburg und Merzig über Idstein nach Hadamar.

1939

1. August: Veröffentlichung des ‚Euthanasieerlasses‘ , der die Tötung von Menschen mit Behinderungen und unheilbaren Krankheiten beschließt.

31. August / 1. September: 670 Patienten werden in Pflegeanstalten in Hessen verlegt und ermordet: 412 Patienten davon nach Weilmünster im Taunus, 258 nach Scheuern bei Bad Nassau.

Insgesamt wurden 1.700 Patienten aus den psychiatrischen Anstalten in Merzig und Homburg verlegt. Dazu kamen Neueinweisungen und Wiederaufnahmen. Der Weg in den Tod führte sie über die Heilanstalt Eichberg bei Eltville, das Krankenhaus von Lorquin in Lothringen bis zur Pfälzischen Nervenklinik Klingenmünster.

Oktober: Beginn der T4-Aktion. Die in Berlin sitzende Reichs- und Arbeitsgemeinschaft der Heil- und Pflegeanstalten beginnt Meldebögen an alle Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich zu verschicken. Zwei Obergutachter entschieden anhand der zurückgesandten Akten über Tod und Leben der Patienten.

1941

24. August: Stopp der Aktion T4 nach einer Predigt des Münsteraner Bischofs Ernst von Galen, der die Euthanasie als Mord bezeichnet.

17. November: Einführung der ‚Hungerkost‘ mit dem Ziel, die Patienten in den Hungertod zu treiben.

Es wurden mehrere Tarnorganisationen, mit dem Ziel die Krankenmorde zu verschleiern, gegründet. Die gemeinnützige Krankentransportgesellschaft organisierte den Transport von den Heilanstalten in Bussen mit Milchglasscheiben zu den Tötungsanstalten Bernburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim in Österreich, Sonnenstein bei Dresden und nach Brandenburg.

Die allgemeine Stiftung für Anstaltswesen war offizieller Arbeitgeber des Personals in den Tötungsanstalten, honorierte die ausgestellten Gutachten und besorgte das Giftgas. Die Zentralverrechnungsstelle für Heil- und Pflegeanstalten führte den Schriftverkehr mit den Kostenträgern.

1942 – 1945

In rund 15 Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich wurden Patienten durch Luftinjektionen, Überdosierung von Schlafmitteln und durch mangelnde hygienische Unterbringungen ermordet.

1944

6. April: Erlass zur Errichtung von ‚Ostarbeiter-Sammelstellen‘ in elf psychiatrischen Anstalten. Ein solches Lager existierte auch in Theley, in dem ‚nicht einsatzfähige‘ Zwangsarbeiter ermordet wurden.

1945

Zwischen 2.500 und 3.000 Menschen aus dem Saarland wurden Opfer der klinisch veranlassten Vernichtung durch die Nationalsozialisten.