Nationales Streikdenkmal Wiltz

Am 30. August 1942 verkündete der Chef der Zivilverwaltung in Luxemburg, Gustav Simon, die Einführung des obligatorischen Wehrdienstes für die Jahrgänge 1920 bis 1924 (Anfang 1943 erfolgte die Ausdehnung auf die Jahrgänge 1925 – 1927). Auf die Ankündigung reagierte die luxemburgische Zivilbevölkerung mit Widerstand, der sich zunächst in kleinen Gesten, wie beispielsweise der Verweigerung des Hitlergrußes, ausdrückte und später in mehreren Streiks niederschlug. Diese gingen als sogenannter Generalstreik in das kollektive Gedächtnis ein. Das Streikdenkmal in Wiltz erinnert an jenes Ereignis.

 

Kontakt

Syndicat d’Initiative et de Tourisme de la Ville de Wiltz
Château
15 Rue du 31 Aout 1942
9516 Wiltz
Luxemburg

Telefon: +352 | 95 | 74 44
Fax: +352 | 95 | 75 56
E-Mail: siwiltz@pt.lu

Webseite: www.touristinfowiltz.lu

Öffnungszeiten:
Die Denkmalsanlage ist durchgehend frei zugänglich.
Der Turm ist täglich von 8:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.
Der Eintritt ist frei.

Anfahrt:
Die Stadt Wiltz liegt an dem gleichnamigen Nebenfluss der Sauer im Nordwesten des Großherzogtums Luxemburg im Distrikt Diekirch. Sie ist Hauptort des Kantons Wiltz. Die Denkmalsanlage befindet sich am Berghang zwischen den beiden Ortsteilen Wiltz-und Niederwiltz zwischen den Nationalstraßen 12 und 26.

 

Historischer Abriss des Generalstreiks

Die Stadt Wiltz bildete den Ausgangspunkt des Streiks vom 31. August 1942. Neben den örtlichen Industriearbeitern der Ideal-Lederwerke legten auch Geschäftsleute und Gemeindebeamte in Wiltz ihre Arbeit nieder. Auch in Ettelbrück, Diekirch und Vianden kam es zur Arbeitsniederlegung. Noch am gleichen Tag breitete sich der Streik im Süden des Landes aus. Angefangen mit den ARBED-Werken in Schifflingen, wo der Deutsche Hans Adam über die Sirene das Zeichen gab. Auch in den Gymnasien in Echternach und Esch animierten Lehrkörper und Schülerschaft dem Unterricht fern zu bleiben. In den folgenden Tagen kam es vereinzelt zu Streiks und Arbeitsverweigerung. Am 1. September 1942 wurde der Ausnahmezustand verhängt und ein Standgericht einberufen. Bis zum 8. September wurden 20 luxemburgische Männer festgenommen und zum Tod verurteilt. Sie wurden im KZ Hinzert hingerichtet. Hans Adam wurdeam 11. September 1942 in Köln-Klingelpütz enthauptet.

 

Gedenkort Nationales Streikdenkmal in Wiltz

Am 22.Februar 1949 ergriff Innenminister Eugène Schaus die Initiative, ein nationales Streikdenkmal zu errichten. Das Denkmal sollte in Wiltz als symbolischem Ort des Generalstreiks errichtet werden. Das Monument wurde fast ausschließlich aus Spendengeldern finanziert, die vom Oeuvre du Monument de la Grève aufgebracht wurden. 1954 wurde der Grundstein des Denkmales, ein 23m hoher Leuchtturm, gelegt. Die Pläne des Monumentes stammen vom Architekten Roger Wercollier. Die vier Reliefs wurden von seinem Bruder, dem Bildhauer Lucien Wercollier, angefertigt. Sie stellen sowohl den Kampf zwischen dem biblischen David (Luxemburg) und dem übermächtigen Goliath (Nazideutschland), als auch die Hinrichtung von Gefangenen des Streiks dar. In der Krypta des Streikdenkmals zeigen zwei Marmorreliefs das Bild eines Lebensbaumes und den Märtyrertod des Hl. Sebastian. Letzterer steht symbolisch für den Leidensweg der Widerstandskämpfer. Am 30. September 1956 wurde das Denkmal offiziell eingeweiht.

 

Erinnerungsort Generalstreik

Der Mythos des Generalstreiks wurde bereits während des Zweiten Weltkriegs gebildet. Vor allem die starke Resonanz in der internationalen Presse — so u.a. in den USA, Großbritannien und der UDSSR — trugen letztlich zu dieser Entwicklung bei. Es ist jedoch hauptsächlich den ehemaligen Widerstandsorganisationen zu verdanken, dass der Streik Teil der luxemburgischen Erinnerungskultur wurde. Der Generalstreik wurde eng mit einer nationalen Legendenbildung — u.a. jene eines nationalen Widerstandes — verwoben. Insbesondere während der jährlichen Zeremonien zur Erinnerung an die Opfer des Generalstreiks spielt die nationale Einigkeit eine wichtige Rolle. Mit den Jahrzehnten konzentrierten sich die Gedenkzeremonien auf die einzelnen Hotspots des Streiks — so u.a. Schifflingen und Differdingen im Süden sowie Wiltz im Norden des Landes.

[Büchler, Georges / Lutgen, Emile / Perfetto, Raffaella / Schroeder, Frank (Hg.): 75 Joer Streik. 31. August 1942/2017. De Streik vun 1942, Wiltz 2017]
[Majerus, Benoît: De Generalstreik, in: Kmec, Sonja / Majerus, Benoît / Margue, Michel / Peporte, Pit (Hg.): Lieux de mémoire au Luxembourg, Luxemburg 2007, S. 153 – 158]
[Dostert, Paul: Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe. Die deutsche Besatzungspolitik und die Volksdeutsche Bewegung 1940 – 1945, Luxemburg 1985]
[Dostert, Paul / Grotum, Thomas / Klasen, Katharina (Hg.): Gestapo-Terror in Luxemburg. Verwaltung, Überwachung, Unterdrückung, Luxemburg 2015]

 

Chronik


1942

30. August: Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die Luxemburger und feierliche Verkündung der obligatorischen Wehrpflicht für die Jahrgänge 1920 – 1924 durch Gustav Simon, Chefder Zivilverwaltung (CdZ) in Luxemburg.

31. August: Punktuelle und zeitlich begrenzte Streiks in Luxemburg-Stadt: Angestellte von Paul Wurth und dem Luxemburger Wort legen ihre Arbeit nieder. In den Verwaltungen weigern sich die Beamten das Abzeichen der VdB (Volksdeutsche Bewegung) zu tragen. Etwa 100 Schüler des Athenäums verlassen den Unterricht.

In der staatlichen Oberschule für Jungen in Esch/Alzette weigern sich die Lehrer das Abzeichen der VdB zu tragen — der Direktor setzt den Lehrern ein Ultimatum von 24 Stunden sie wieder anzulegen.

In den Minen und Werkstätten des Stahlwerks in Düdelingen fehlen zahlreiche Arbeiter — Vertuschung durch die Verwaltung, welche die Abwesenheit als Urlaub oder Krankheitsfälle deklariert.

In Diekirch streiken die Grundschullehrer.

In Ettelbrück bleiben etwa 60 Geschäfte geschlossen.

In Wiltz weigern sich die Arbeiter der Ideal-Lederwerke die Fabrik zu betreten. Die Stadtverwaltung, Brauereiarbeiter, Handwerker und Geschäftsinhaber schließen sich ihnen an. Unterrichtsverweigerung der Wiltzer Grundschullehrer.

18:00 Uhr: Etwa 2000 Arbeiter legen auf das Signal von Hans Adamhinihre Arbeit in den Arbed-Werken von Esch/Schifflingen nieder.

Verhängung des Ausnahmezustandes über Esch/Alzette und Düdelingen.

1.September: Einzelne Fälle von Arbeitsniederlegung in den Werken von Terres Rouges und Belval — diese werden brutal niedergeschlagen.

Schülerinnen des Mädchengymnasiums in Esch/Alzette verlassen das Schulgelände — 60 werden am folgenden Tag in die Villa Seligmann, Sitz der Gestapo in Esch, zitiert.

Arbeitsniederlegungen bei Paul Wurth, Villeroy und Boch, der Uniformfabrik Almi, der Post und den Werken Eich-Dommeldingen in Luxemburg-Stadt. Richter und Staatsanwälte beschließen ihren Mitgliedsausweis der VdB zurückzuschicken.

Ausdehnung des Ausnahmezustandes über das gesamte Gebiet des Großherzogtums.

Erste Todesurteile gegen Nicolas Müller und Michel Worré aus Wiltz durch das Standgericht.

2. September: Die Frühschicht der Differdinger Arbed-Werke erscheint nicht zur Arbeit. In mehreren Werkstätten wird ebenfalls die Arbeit niedergelegt — 4 Arbeiter werden von der Gestapo verhaftet und vor das Standgericht gestellt.

Die Schüler des Escher Gymnasiumsweigern sich das Gebäude zu betreten — 94 werden festgenommen und nach Stahleck gebracht.
Auszubildende in Belval weigern sich an der täglichen Zeremonie teilzunehmen, bei der die Hakenkreuzflagge gehisst wird — bis zum 5. September werden 40 Auszubildende verhaftet und ins Lager Ruwer gebracht.

In Walferdingen streiken 43 Lehramtskandidatinnen der Normalschule — sie werden verhaftet und nach Marienthal (D) geschickt.

Der Streik bei Villeroy und Boch in Luxemburg-Stadt setzt sich fort.

In Vianden kommt es zu Arbeitsniederlegungen in den Gerbereien und der Lederindustrie. Geschäfte bleiben geschlossen.

2. September: Das Standgericht verurteilt Alfred Brück, Joseph Ewen, Célestin Lommel, Charles Meiers (Lehrkörper), Nicolas Konz (Postinspektor), Nicolas Betz, Jean-Pierre Schneider, Ernest Toussaint und Alphonse Weets (Abeiter aus Differdingen) zum Tode.

3. – 4. September: Die Streikbewegung kommt langsam zum Erliegen. Léon Zeimes (Schriftsetzer des Luxemburger Wort), Robert Mischo, René Angelsberg (Schlosserder Differdinger Hüttenwerke) und Jean Schroeder (Postbeamter) werden zum Tode verurteilt.

4. – 5. September: Michel Dax, Jean Thull (Eisenbahner aus Ettelbrück) und Emile Heiderscheid (Dachdecker aus Diekirch) werden vom Standgericht zum Tode verurteilt.

5. – 6. September: Alphonse Schmit (Lehrer aus Echternach) wird zum Tode verurteilt

8. September: Aufhebung des Ausnahmezustandes für den Kreis Diekirch und Grevenmacher.

8. – 9. September: Todesurteil gegen Eugène Biren (Dreher im Walzwerk Arbed Schifflingen) — insgesamt wurden 20 Todesurteile vom Standgericht verhängt, die sofort im SS-Sonderlager KZ-Hinzert ausgeführt wurden.

9. — 10. September: Der Deutsche Hans Adam wird festgenommen und zum Rädelsführer der Streikbewegung benannt. Vom Sondergericht wird er zum Tode verurteilt.

10. September: Aufhebung des Ausnahmezustandes für Luxemburg und den Kreis Esch — Auflösung des Standgerichtes

11. September: Hans Adam wird in Köln-Klingelpütz enthauptet.

1949

22. Februar: Initiative zur Errichtung eines Streikdenkmals durch Innenminister Eugène Schaus.

1956

30. September: Offizielle Einweihung des Nationalen Streikdenkmals in Wiltz.