Bahnhof Hollerich

Der etwas abseits gelegene Bahnhof von Luxemburg-Hollerich war Sammelpunkt für Luxemburger, die zum Reichsdienst und in die Deutsche Wehrmacht eingezogen wurden. Auch als ‚deutschfeindlich‘ eingestufte luxemburgische Familien vom 17. September 1942 bis August 1944 zwangsweise ins Deutsche Reich umgesiedelt wurden, passierten sie den Bahnhof Hollerich. Über einen Warenumschlagsbahnhof, etwas abseits des Bahnhofs Hollerich, wurde die jüdische Bevölkerung Luxemburgs in die osteuropäischen Arbeits- und Vernichtungslager deportiert.

Seit 1996 besteht im ehemaligen Bahnhofsgebäude das Musée-Mémorial de la Déportation mit einer Gedenkstätte, einer Ausstellung und einer themenorientierten Bibliothek.

 

Kontakt

Musée-Mémorial de la Déportation
3a, rue de la Déportation
1415 Luxemburg
Luxemburg

Telefon: +352 | 247 | 822 83
E-Mail: servicememoire@me.etat.lu

Webseite: www.cm2gm.lu

Öffnungszeiten: Nur mit Termin; An Wochenenden und Feiertagen geschlossen.
Der Eintritt ist frei. Führungen für Schulklassen und Besuchergruppen werden nach Absprache angeboten.

Anfahrt:
Der Bahnhof Hollerich befindet sich unweit des Hauptbahnhofs von Luxemburg-Stadt am Rande des Stadtzentrums (Fußweg etwa 1 Kilometer).
Mit dem Auto vom Hauptbahnhof in Luxemburg-Stadt/Place de la Gare in Richtung Süden auf die N 3 fahren. Nach etwa 200 Metern rechts in die Rue de Hollerich einbiegen, dann links in die Rue d´Alsace fahren. Nach dem Passieren einer Eisenbahnbrücke rechts in die Rue de la Déportation abbiegen.
Mit dem Bus die Linie 1 bis zur Haltestelle Assurances sociales, route d´Esch oder die Linie 18 bis zur Haltestelle Hollerich-Gare, rue de la Déportation nehmen.
Mit dem Zug ist die Gedenkstätte halbstündlich über die Strecke Luxemburg — Pétange erreichbar (ca. 3 Minuten Fahrtzeit vom Hauptbahnhof).

 

Gedenkort Bahnhof Hollerich

Im Jahre 1979 stellte der luxemburgische Staat der Fédération des Victimes du Nazisme, Enrôlées de force das leerstehende Bahnhofsgebäude in Hollerich zur Verfügung, um dort eine Ausstellung zur Geschichte der Zwangsrekrutierung in Luxemburg einzurichten. Erst 1992 wurde dieses Projekt mit der Einführung einer eigenen Arbeitsgruppe konkretisiert. Die Gruppe bestand aus Vertretern verschiedener Widerstands- und Kriegsopferorganisationen, Historikern, Architekten und Archivaren. Am 29. Mai 1996 wurde im ehemaligen Bahnhofsgebäude von Luxemburg-Hollerich die Gedenkstätte mit Museum eröffnet. Sie steht unter der Schirmherrschaft des Großherzogs von Luxemburg und wird von der Stiftung Fondation du Mémorial de la Déportation getragen.

Zwischen 2006 und 2016 beherbergte das Gebäude das Centre de Documentation et de Recherche sur l’Enrôlement forcé. Später wurde es in das Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History (C²DH) der Universität Luxemburg integriert.

Desweiteren ist das Gebäude Sitz der Fédération des Enrôlées de force, der Amicale Albert Ungeheuer sowie des Service de la Mémoire de la seconde guerre mondiale.

 

Multimediale Ausstellung

Auf einer Fläche von 110m² dokumentiert die Ausstellung die Schicksale der einzelnen Opfergruppen (wie z.B. der Zwangsrekrutierten, der luxemburgischen Juden und zahlreichen umgesiedelten Familien) und die entsprechenden historischen Hintergründe. Das Anschauungsmaterial besteht aus Fotos und Dokumenten.

Die Ausstellung ist in vier Bereiche unterteilt: Luxemburg unterm Hakenkreuz (Einleitung), die Judenverfolgung in Luxemburg, die Zwangsrekrutierung der Luxemburger Jugend (Reichsarbeitsdienst, Kriegshilfsdienst und Wehrmacht), sowie die Zwangsumsiedlung von Luxemburgern nach Osteuropa. Die Ausstellungstexte sind auf Luxemburgisch verfasst. Begleittexte sind in deutscher sowie in französischer Sprache auf Nachfrage erhältlich.

Die multimediale Ausstattung der Bibliothek zeigt Dokumentarfilme über Kriegsdienstverweigerer, dem Massaker im Zuchthaus von Sonnenburg (Slonsk), dem sowjetischen Kriegsgefangenenlager 188 bei Tambow (Russland), der Umsiedlung und der Judenverfolgung in Luxemburg.

 

Die Zwangsumsiedlung in Luxemburg

Am 9. September 1942 erteilte der Gauleiter Simon infolge des Generalstreiks eine ‚Umsiedlungsaktion für Luxemburg‘ ins Deutsche Reich. Umsiedlungsausschüsse, denen die Kreisleiter vorstanden, entschieden darüber, wer umgesiedelt werden sollte. In vereinzelten Fällen entschied der Gauleiter persönlich. Insbesondere Personen aus der Oberschicht und die Bildungselite des Landes sollten umgesiedelt werden, da sie als ‚Träger des luxemburgischen Staatsgedankens‘ galten. Ab 1943 wurden jedoch auch vermehrt Familien von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren zur Umsiedlung ausgesucht. Das Ziel der Umsiedlungen bestand einerseits darin, die Menschen zu überzeugten Nationalsozialisten zu erziehen, andererseits sollten ‚Deutschstämmige‘ die Besiedlung in Polen unterstützen. Die Betroffenen wurden kurz vor ihrer Abfahrt vom Hollericher Bahnhof über ihr Schicksal informiert. Sie durften nur das Notwendigste mitnehmen. Der restliche Besitz wurde beschlagnahmt. Die Familien lebten auf engstem Raum in sogenannten Umsiedlungslagern. Am 8. Mai 1945 wurden die vier schlesischen Umsiedlungslager (Trebnitz, Boberstein, Wallisfurth und Wartha) von der Roten Armee befreit. Ende Juni kehrten die Luxemburger in ihre Heimat zurück. Insgesamt wurden 1.138 Familien aus Luxemburg umgesiedelt. 154 Personen, davon 22 Kinder überlebten die Strapazen nicht.

 

Die Zwangsrekrutierung in Luxemburg

Auf Anordnung des Chefs der Zivilverwaltung Gustav Simon wurde am 23. Mai 1941 der obligatorische ‚Reichsarbeitsdienst‘ in Luxemburg eingeführt. Bereits wenige Monate später starteten die ersten Propagandakampagnen, damit sich die ‚wehrfähigen‘ Luxemburger in den Dienst der Wehrmacht oder der Waffen-SS meldeten. Lediglich 1.500 Luxemburger folgten diesem Aufruf. Aufgrund der hohen Verluste der deutschen Wehrmacht an der Ostfront, wurde in Luxemburg, im Elsass und in Lothringen 1942 die Wehrpflicht eingeführt. Die Entscheidung wurde von Gauleiter Simon am 30. August offiziell bekanntgegeben und löste in den folgenden Tagen landesweite Protestaktionen in der Bevölkerung aus. Diese Proteste wurden auch als Generalstreik bezeichnet. Am 18. Oktober verließen die ersten Transporte mit Zwangsrekrutierten das Land. 10.211 junge Luxemburger (Jahrgänge 1920 bis 1927) dienten in der Wehrmacht. 3.510 konnten sich dem Wehrdienst entziehen. 2.848 sind an der Front gefallen oder gelten als verschollen.
Musée national de la Résistance (Hg.), Le Grand-Duché du Luxembourg pendant la deuxième guerre mondiale, Leudelange 2005.

 

Chronik


1942

30. August: Verkündung des obligatorischen Wehrdienstes für die Jahrgänge 1920 bis 1924.

31. August: Beginn des Generalstreiks.

9. September: Infolge des Generalstreiks veranlasst der Gauleiter Simon eine ‚Umsiedlungsaktion für Luxemburg‘.

17. September: Erster Umsiedlungstransport ‚deutschfeindlicher‘ Luxemburger Familien nach Ostdeutschland ins Lager Leubus.

18. Oktober: Die ersten Luxemburger Zwangsrekrutierten verlassen das Land.

1944

12./13. Mai: Ca. 1.200 Luxemburger der Jahrgänge 1925 – 1926 werden eingezogen.

31. August: Letzte Umsiedlung luxemburgischer Familien nach Hirstein – insgesamt werden etwa 4.200 Personen umgesiedelt (154 überleben die Umsiedlung nicht).

1945

8. Mai: Befreiung der lagerfreien Familien und der vier schlesischen Umsiedlungslager (Trebnitz, Boberstein, Wallisfurth und Wartha — die böhmischen Lager wie Oberkratzau, Nestomitz und Schreckenstein wurden vorher bereits aufgelöst) durch die Rote Armee.

[Schiltges, Marie-Madelaine, Deportation au Luxembourg 1942-1945, Luxemburg 1992][Heiderscheid, André, Zwangsrekrutiert. Das deutsche Verbrechen an der Luxemburger Jugend. Ein Buch wider das Vergessen, Luxemburg (Bd. 2) 2000.
Musée national de la Résistance (Hg.), Le Grand-Duché du Luxembourg pendant la deuxième guerre mondiale, Leudelange 2005]