Gedenkweg an die Razzien des 2. und 5. März 1942 in Nancy

Der von der Association des Amis de la Fondation pour la Mémoire de la Déportation Bezirk Meurthe-et-Moselle  und der Amicale Mauthausen erarbeitete Gedenkweg erinnert an die Razzien vom 2. und 5. März 1943 in Nancy sowie die Opfer des Nationalsozialismus in Meurthe-et-Moselle.

 

Kontakt

Association des Amis de la Fondation pour la Mémoire de la Déportation Territoriale de Meurthe-et-Moselle (AFMD)
Präsident Lamai Becher
78, Place du Colonel Driant
54000 Nancy
Frankreich

Telefon: +33 | (0) | 383 | 32 32 30

E-Mail: lamai.becher@wanadoo.fr

 

Als am 2. März 1943 rund 300 junge Männer aus Nancy, die man für den Reichsarbeitsdienst zwangsrekrutiert hatte, nicht erschienen, verhaftete die Gestapo wahllos 120 junge Männer, die sich gerade am Place Carnot aufhielten. Weitere 250 junge Männer wurden am 5. März im Marktviertel verhaftet. 293 davon wurden über das Gefängnis Charles III in Nancy und das Internierungslager Ecrouves in das deutsche Internierungslager in Compiegne verschleppt. Von dort wurden 144 in das KZ Mauthausen deportiert, wo die Hälfte von ihnen umkam.

Der Gedenkweg ist 1,5 Kilometer lang und besteht aus sieben Stationen. Ein geführter Rundgang dauert zirka 1,5 Stunden. Die Führung wird an einzelnen Stationen von Zeitzeugenberichten ergänzt. Sofern möglich sind auch Zeitzeugen bei einer Führung dabei. Der Gedenkweg versteht sich als generationenübergreifend und möchte einen Beitrag zur historisch-politischen Bildung leisten.

 

Weitere Gedenkorte

Im Jahr 2000 wurde Gedenktafel für die Opfer der Razzien vom 2. und 5. März 1943 am Gebäude der Ecole Raugraff angebracht. Zum Jahrestag der Razzien findet dort eine Gedenkfeier mit den Überlebenden statt.

Zwei Gedenktafeln in der Rue Léopold-Lallement erinnern an die Deportationen. Auf den Tafeln sind die Namen von 19 Opfern der Razzien und der jüdischen Opfer eingeschrieben.

Ein Denkmal zu Ehren der deportierten Juden aus Nancy befindet sich am Eingang des Friedhofs Préville in der Avenue de Boufflers 15. Entlang der Friedhofsmauer wurden 20 Büsche gepflanzt, die zusammen mit kleinen Gedenksteinen an 20 Kinder erinnern, die von der Gestapo ermordet wurden.

An der Place de Juste, dem Platz der Gerechten, in der Rue Abbé Didelot wurde ein Denkmal zu Ehren derjenigen errichtet, die Juden aus Nancy retteten und ihnen bei der Flucht halfen.

Die Gedenktafel am Polizeigebäude am Boulevard Lobau 38 wurde zu Ehren von Polizeichef Edouard Vigneron und fünf weiteren Polizisten errichtet. Die Polizisten wurden von der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt. Sie hatten Juden aus Nancy vor der bevorstehenden Razzia gewarnt und ihnen mit Fahrkarten und falschen Papieren die Ausreise in die unbesetzte Zone ermöglicht. Mehr als 300 Jüdinnen und Juden konnten fliehen.

 

Stationen des Gedenkweges an die Opfer der Razzien vom 2. und 5. März 1943

1. Place Stanislas: Hôtel de Ville

Am Morgen des 2. März 1943 wurden auf dem Platz vor dem Bürgermeisteramt junge Männer der Abschlussklassen 1940, 1941, 1942 zusammengerufen. Aufgrund der großen Anzahl an Männern, wurden einige wieder weggeschickt und konnten der Razzia entkommen.

Zeitzeuge Lucien Geindre, war der Razzia vom 2. März 1943 entkommen:
Vor dem Rathaus teilte uns ein Polizist morgens um 10 Uhr mit, dass wir am Nachmittag wiederkommen sollten. Ich ging mit meinen Freunden in eine Bierwirtschaft in der Rue St. Jean.

2. Place Carnot:

Am 2. März gegen 17.30 Uhr durchsuchte die deutsche Polizei mehrere Gaststätten und verhaftete dabei 120 junge Männer, die im Gefängnis inhaftiert wurden.

Zeitzeugenaussage des damals 19-jährigen Jura-Studenten Bernard Giry, der nach seiner Verhaftung in das KZ Mauthausen verschleppt worden war.
Jeden Donnerstagnachmittag trafen sich die Studenten zum Sport beim Stadium Marcel Picot. Wir kamen gegen 16.30 dort an. Auf dem Rückweg kamen durch den Park de la Pépinière und beschlossen, weil wir Durst hatten, die an der Ecke des Place Carnot und Rue des Michottes gelegene Brasserie „La Viennoise“ aufzusuchen. Wir hatten noch nichts getrunken, als uns Männer in Ledermänteln nach unseren Ausweisen fragten. Einige von uns flüchteten auf die Toiletten. Sie wurden verhaftet, darunter war auch der 17-jährige Akkordeonspieler der Kapelle.

3. Place Dombasle: Lycée Poincaré

Der Konrektor des Lycée Poincaré wies die Schüler an, an diesem Tag in der Schule zu bleiben.

4. Rue Saint Jean: Place Maginot

Aussage des damals 23-jährigen Pierre Thouvenin, der bei Razzia am 2. März verhaftet und nach Mauthausen und Auschwitz deportiert wurde:
Am frühen Nachmittag ging ich mit zwei Freunden in eine Brasserie, die ehemalige „Bar Américain“ am Place Maginot um ein kleines Bier zu trinken und zu plaudern, als die deutschen Besatzer hereinkamen und nach unseren Ausweispapieren fragten. Wir konnten nur abwarten. Im nächsten Moment fuhr ein Bus vor und brachte uns ins Gefängnis. Ich weiß immer noch nicht wie mein Leben aus den Fugen geriet.

5. Emplacement de la prison Charles III: Place des Justes

Zeitzeugenaussage von Pierre Thouvenin, der bei der Razzia am 2. März verhaftet und zuerst im Gefängnis Charles III und später im Internierungslager Ecrouves inhaftiert worden war.
Meine Eltern kamen nach Ecrouves, um nach mir zu sehen. Ich konnte entkommen, weil soweit ich mich entsinne, sie mich bis zur Straße begleitet haben. Aber man hatte es nicht bemerkt (…).

7. Rue Raugraff : Place du Marché

Zeitzeugenaussage des damals 16-jährigen Lageristen René Viard von der Razzia vom 5. März 1943, bei der er verhaftet und nach Mauthausen und Dachau deportiert wurde.
Ich war damals 16 Jahre alt und Lagerist in einem Auktionshaus im Viertel. Ich lebte noch bei meinen Eltern als die deutschen Soldaten die Stufen zu unserer Wohnung heraufkamen, eintraten und mich mitnahmen. (…) Nach meiner Rückkehr träumte ich und fragte mich, warum haben sie uns verhaftet. Schon träumte ich nicht mehr.

 

Chronik


1942

19. Juli: Die für den 19. Juli geplante Razzia unter den jüdischen Bewohnern von Nancy wurde durch den Polizeichef von Nancy, Edouard Vigneron, seinen Stellvertreter, Pierre Marie, sowie weitere fünf Mitarbeiter vereitelt. Die Polizisten warnten die jüdische Gemeinde und verhalfen mehr als 300 Juden mit falschen Papieren und Fahrkarten zur Flucht. Über die Razzien in den Jahren 1943 und 1944 erhielt die Polizei keine Informationen und konnte so keine Deportation mehr verhindern.

1943

28. Februar: In der Zeitung L’echo de Nancy erscheint der Aufruf des Präfekten, der alle jungen Männer, die zwischen dem 1. Januar 1920 und dem 31. Dezember 1922 geboren wurden, auffordert sich im Rathaus zu einer ärztlichen Untersuchung zu melden. Dort soll über die Einberufung der jungen Männer in den Reichsarbeitsdienst entschieden werden.

2. März: Aufruf an die Jahrgänge 1920 bis 1922, sich im Rathaus von Nancy zu melden. Da nicht alle auf einmal eingelassen werden können, erhalten einige Männer die Anweisung am Nachmittag zurückzukommen. Da viele junge Männer dieser Aufforderung nicht nachkommen, durchsucht die Gestapo im Lauf des Nachmittags mehrere Gaststätten in der Innenstadt und verhaftet mehr als 100 junge Männer, die ins Gefängnis Charles III gebracht werden.

5. März: Die deutsche Armee durchsucht Häuser im Viertel St. Sébastien und verhaftet mehrere hundert junge Männer, die im Gefängnis Charles III inhaftiert werden.

Zwischen dem 2. und 5. März 1943 wurden mehr als 300 junge Männer aus Nancy verhaftet. Die meisten wurden zwischen dem 8. und 10. März in das Internierungslager Ecrouves bei Toul verschleppt. Dort wurden sie mehrere Tage festgehalten, bevor sie in das Internierungslager Compiègne bei Paris verschleppt wurden. Von dort wurden die meisten der Inhaftierten in das KZ Mauthausen deportiert. 144 junge Männer aus Nancy und Umgebung wurden nach Mauthausen deportiert, nur 88 davon überlebten.

1944

19. August: Räumung des Gefängnis Charles III durch die SS. 100 Gefangene werden über das KZ Natzweiler-Struthof in die Konzentrationslager Dachau, Mauthausen und Dautmergen deportiert.
September: Befreiung von Nancy durch 3. US-Armee unter General Patton.